Doris auf Reisen
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Entre Rios - Doris - 23.10.2012 01:39

Donnerstag, 18.10.2012

Der Mesopotamien Highway
Der natürlich natürlich nicht so heißt, sondern Autopista de Mesopotamia, oder schlicht Autopista 12. Entre Rios – zwischen den Flüssen, so heißt die Provinz, durch die ich fahre. Kaum aus BsAs heraus, beginnt das Sumpfland des Deltas. Die Straße überquert in zwei monumentalen Brücken die Mündungsarme des Rio Parana. Die riesigen Ozeandampfer wirken wie Spielzeuge, so gewaltige Ausmaße hat der Fluß. Dagegen ist der Rhein ein Bächlein!
Eigentlich wollte ich die Autobahn so schnell wie möglich verlassen. Aber zum einen verlaufen die anderen Straßen auch nur geradeaus, zum anderen sind die Autobahnen hier doch ein bißchen anders als bei uns. Die Karte zeigt kaum Ausfahrten. Einfach weil keine da sind! Eine Schotterpiste zweigt von der Autobahn ab, führt zu einer weit entfernten Hacienda, oder zu einer Viehweide. Zur Tankstelle kann man auch einfach mal links abbiegen, oder man fährt einfach über den breiten Grünstreifen in der Mitte. Schilder warnen vor Vieh und Fußgängern, Radfahrer sind unterwegs und ab und an auch mal ein Trecker. Also bleib ich auf der Autopista.
Diese endlose Weite ist nicht fassbar! Sogar der Himmel scheint hier höher zu sein. Noch dazu von einem strahlenden blau.


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Das Sumpfland hab ich hinter mir gelassen, Viehweiden wechseln sich ab mit frisch gepflügten Feldern. Ich kann mich an dieser Weite nicht sattsehen! Und bald sehe ich auch die ersten Gauchos. Sie stehen auf dem Mittelstreifen und wollten die Autobahn passieren.
Dann geht es entlang des Parque nacional de Palmera. Die Ausfahrt ist gesperrt, der Park sieht noch geschlossen aus. Doch der Wald aus Yatay-Palmen bietet Abwechslung zu der weiten Pampa.doch schon bald hab ich wieder das gewohnte Landschaftsbild. Langweilig wird’s trotzdem nicht!
Salto Grande ist heute mein Ziel. Der Reiseführer hat zwar mehrere Campingplätze versprochen, aber ich bin heilfroh, als ich endlich einen finde! Der liegt am Stausee des Rio Uruguay, ein Gemeinschaftsprojekt von Uruguay und Argentinien und wird gerade aus dem Winterschlaf geweckt.
Die Abendsonne taucht den See in ein weiches Licht, Zikaden zirpen, Wellen schlagen leise ans Ufer, Vögel zwitschern und das Beste ist: ich hab den Platz ganz für mich allein! Zum Abendessen gibt’s die beste Pasta, die ich je auf meinem Kocher gekocht habe. Dann sitz ich noch lange vor dem Zelt und genieße einen klaren Sternenhimmel, der so anders ist und doch so vertraut.
Das Leben kann so schön sein!

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Sonnenaufgang über dem See. Was für ein Start in den Tag! Leider ziehen schon bald dunkle Wolken auf, kaum hab ich fertig gepackt, fallen ein paar Tropfen, ein Bus spuckt eine Gruppe Jugendlicher aus, ich mach mich auf den Weg. An der Tankstelle treffe ich vier Argentinier, die auf dem Weg nach Iguazú sind. Sie heißen, typisch argentinisch: Eduard, Richard, Max und Christian. Wir fahren ein Stück gemeinsam. An einer Unfallstelle – hier steht das ausgebrannte Gerippe eines LKW, daneben brennt noch mit kleinen Explosionen die Ladung, wird der Verkehr umgeleitet. Über den Mittelstreifen, der schon recht matschige Fahrspuren zeigt. Einen Moment krieg ich Muffen. Aber wenn die beiden das mit der 12er RT und der Pan European – sieht jedenfalls auch so aus, heißt aber Trans Pacific – das schaffen, kann ich das auch! Also in die Rasten, Blickführung und Gas ist rechts! Die Fuhre rutscht und tanzt und ich bin durch. YiiHaaa! Bald trennen sich unsere Wege. Die vier nehmen den direkten Weg, ich lege noch einen Umweg ein. Hab ja schließlich Zeit!
Ich genieße das Allein-Fahren! Wenn es auch angenehm ist, in der Gruppe mitzufahren, bei Pausen ein Schwätzchen zu halten, den einen oder anderen Fotostopp hätte ich gern eingelegt. Plötzlich kreuzt eine Rinderherde die Straße, direkt vor mir. Getrieben von vier Gauchos, wie aus dem Bilderbuch!

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Bei Mercedes schau ich mir kurz die Gedenkstätte für Gaucho Gil an. Ein skurriler Wallfahrtsort und Flohmarkt in einem. Bunt und schrill. In Mercedes tanke ich und frage nach dem Weg .Nach Colonia Carlos Pellegrini will ich. Meine Karte, Maßstab 1:2 000 000 ist mitunter nicht wirklich exakt. Er erklärt rechts, links Kreisverkehr…häää? Kann ich mir nicht merken! Da steigt einer der Leute ins Auto, Venga, komm mit… fährt voraus, bis ich auf dem richtigen Weg bin. War eigentlich ganz einfach: rechts raus an der Tankstelle, immer geradeaus, bis nix mehr geht, dann links und am Kreisverkehr den Schildern folgen. Muchas Gracias! Der Straßenbelag ist der beste, den ich bis dahin unter die Räder bekommen habe! Neuer Asphalt! WOW! Spiegelungen lassen am Horizont die Straße mit dem Himmel verschmelzen, Kiliomterweit geht es an Weidezäunen entlang. Ich genieße jeden Meter! Weißer Rauch steigt weit vorne auf. Kann doch nur Rauch sein, was sonst? Immer wieder werden hier Felder abgeflämmt, der Rauch ist zwar schwarz…
Und hier beginnt mein Offroad-Abenteuer, das eigentlich ein Onroad-Abenteuer ist. Also Off-Onroad. Der Rauch ist Staub. Heller weißer Sand, festgefahren, dann rote Erde, geschottert, Baustelle mit tiefen Furchen von Kettenfahrzeugen, Passagen zum Ausruhen, die ich gut sitzend bewältigen kann, den Rest steh ich durch. Manche Schlaglöcher bemerke ich erst, als ich durch rumple, andere haben Badewannen-Format. 100 Kilometer Piste. Die Straße erfordert meine volle Aufmerksamkeit, für die landschaftliche Schönehit habe ich jetzt keinen Blick.

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Später, als ich das Sumpfland von Iberá erreiche, liegen immer wieder Kadaver von Wasserschweinen auf der Straße. Zeit, die Geschwindigkeit zu drosseln. Ich beobachte den Straßenrand genau, trotzdem läuft mir ein so ein Carpincho vors Motorrad. Die Fuhre kommt gewaltig ins Schlingern, puhh, geschafft. Glück gehabt, das Schwein und ich! Völlig geschafft erreich ich den Campingplatz! Das wars wert! Am Kisok kaufe ich erst mal ein Wasser. Wasser – der blick sagt alles. OK, erst ein Wasser, dann ein Bier. Und dann noch eins. Grinsen, auf beiden Seiten. Mein Zelt steht bald wieder am See, auf grüner Wiese, ein wunderbares Konzert von Fröschen, Zikaden und Vögel… Ich lerne Michele aus Manchester und Hendrik aus Frankfurt kennen, gemeinsam gehen wir Abendessen. Und dann: Sterne, die sich im Wasser spiegeln, Glühwürmer, die mit den Sternen um die Wette leuchten
Erwähnte ich schon: das Leben kann so schön sein!

Stille liegt am nächsten Morgen über dem See. Ich bleibe noch einen Tag, mache eine Bootstour in die Sümpfe, sehe Kaimane – Yacare's , Wasserschweine und noch mehr Kaimane, schwimmende Inseln und….paradisisch!
Abends ziehen Wolken auf, Blitze zucken über dem See, bald ist auf dem Campingplatz Land unter. Frühlingszeit = Regenzeit, das hatte ich nicht auf dem Plan

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Wir machen ein Feuer in einer der vielen Grillhütten auf dem Campingplatz, bereiten das Abendessen..und lauschen den Regentropfen. Der Chef des Platzes bietet uns an, im Büro zu schlafen. Aber wir ziehen die Zelte vor. Wie im Wasserbett.

Michele und Hendrik versuchen, ihre Zelte zu trocknen. Sie haben abends eine Mitfahrgelelgenheit nach Mercedes. Für mich ist ans Weiterfahren nicht zu denken. Der Regen hat die Piste aufgeweicht, nach Norden ist die Straße frisch mit Sand gestreut, tiefe nasse Spuren…Lieber nicht!
Wir gehen einen der Wanderwege, die vom Naturpark-Infozentrum ausgehen. Brüllaffen leben hier. Wir hören sie, aber zu Gesicht bekommen wir keinen. Dafür einen Sumpfhirsch. Im Wald fressen uns fast die Mücken auf und wir beenden den Rundgang voorzeitig.
Nachmittags reißt die Wolkendecke auf, die Sonne läßt den See glitzern. Ich sitze den ganzen Nachmittag am Steg und schaue. Ein Kaiman kommt vorbei geschwommen, Piranas springen, die Sonne scheint, Kormorane schweben übers Wasser...ein Paradies, sagte ich das schon? Später ordne ich mein Gepäck, die Straßen sind abgetrocknet, ich will weiter. Sternenhimmel, der Mond leuchtet,
das Leben ist schön, aber das sagte ich ja schon

Um Mitternacht reißen mich Blitz und Donner aus dem Schlaf. Mal wieder Land unter. Regenzeit eben. Morgens hat der Regen aufgehört, ich bring das Zelt zum Trocknen in die Grillhütte. Der Boden trocknet langsam ab, ich will es wagen. Da kommt der nächste Guss. Wind treibt den Regen in die offene Hütte, in Kürze ist alles nass. Also Plan B: ich such mir im Ort (200 Einwohner!) ein Hostal, die gibt’s hier in fast jedem Haus, trockne meine Sachen und warte ab. Ich lande in einem schönen Hotel, eigenes Bad, Mückengitter vor dem Fenster, Internet – ein bißchen Luxus hab ich mir jetzt schon verdient! An other day in paradise.
Aber Morgen, da soll die Sonne scheinen


Aber Morgen, da soll die Sonne scheinen


RE: Entre Rios - Doris - 23.10.2012 12:37

Noch ein paar Bilder:

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RE: Entre Rios - Doris - 26.10.2012 18:01

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Montag, 22.10.2012

Nachtrag.

Eine braune Hündin hat mich adoptiert. Ausgerechnet mich, die ich doch Angst vor Hunden habe.
Den ganzen Nachmittag hat sie im Vorzelt geschlafen, nachts muß sie draußen bleiben. Irgendwann sind auch wieder die Pferde da. Ob die wohl meine Zeltleinen bemerken? Aber meine Freundin paßt auf! Jedes Tier, das zu nahe kommt, wird verjagt. Schön, wenn jemand auf mich aufpaßt! Zur Belohnung gibt’s die Reste vom Frühstück.

Später streife ich noch durchs Dorf. Viel gibt es nicht zu sehen, niedrige Häuser, viel Grün drumrum. Fast in jedem Haus gibt es Fremdenzimmer, oder einen Kiosk, der wie ein kleiner Tante-Emma-Laden ist oder Kunsthandwerk. Pferde, Rinder und Hunde laufen frei herum, eine liebevoll gepflegte Plaza, und das wars.

Zurück zum Campingplatz. Ich will mein hoffentlich trockenes Zelt packen. Eine Großfamilie hat direkt am Eingang das Lager aufgeschlagen. Sie haben Familientreffen, kommen aus unterschiedlichen Teilen des Landes, sogar aus Spanien ist jemand angereist. Sie sind genauso neugierig auf mich wie ich auf sie und so werde ich zum Essen eingeladen. Bevor ich sitze, habe ich schon ein Glas Wein in der Hand, es gibt selbstgemachte Pasta. Mmmhhhh! Haben die italienischen Einwanderer mitgebracht. Sie haben wohl den ganzen Hausstand dabei. Außer der Nudelmaschine seh ich noch den Brotbackautomaten, Gläser mit eingelegten Oliven, Gläser mit selbstgemachter Marmelade. Ich muß probieren, comida tipical. Mmmmmmhhhh! Ich krieg noch einen Vortrag, warum der Weizen hier der beste ist. Ich frage nach Käse, warum es im Supermarkt Gouda gibt, wo doch hier soviele Rinder…? Heißt nur so, wird hier produziert. Und schon hab ich ne dicke Scheibe auf dem Teller liegen. Dazu Marmelade. Selbstgemachte natürlich. Dann dulce de leche. Mit Käse? Ich schmier mir eine Schicht der süßen braunen Masse auf die Käsescheibe. Und sehe ungläubiges Kopfschütteln. Dann wird mir die Scheibe aus der Hand genommen, darauf kommt ein großer Löffel dulce de leche. So ißt man in Argentinien!! Es muß ein Paradies für Zahnärzte sein sage ich. Lachen. Wir lachen viel an diesem Nachmittag, erzählen, fragen, lästern.
Lästern über das deutsche Paar, das mit einem alten Mercedes-Transporter unterwegs ist…seit…Jahren…ganze Welt…Man kann sich nicht mit ihm unterhalten, er hält Monologe. Und beschwert sich. Daß früher alles besser war…das der Campingplatz zu teuer ist (ich zahle 35 Pesos, das sind so um die 5 €), dass er überhaupt auf den Campingplatz muß…ja früher, daß die Duschen nicht funktionieren – hab ich gar nicht bemerkt- dass der Platzmanager Laub harkt…ist das typisch deutsch? Und abends kamen sie auch nicht aus dem Wagen…die Mücken!
Wir grinsen uns an, wir verstehen uns. Versehen mit nützlichen Ratschlägen und vielen guten Wünschen verabschiede ich mich.